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Artikel Tagged ‘foerderung’

Zur Förderdebatte 2003

In Deutschland sind nach der Verfassung die Bundesländer für die Kultur zuständig. Auch wenn die Bundesländer hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen Computerspiele oder auch Filme fördern, so geschieht dies rechtlich auf der Grundlage der Kulturhoheit der Bundesländer. Daher müssen die Bundesländer Computerspiele als Kulturgut ansehen, um sie ohne Probleme in ihre Förderprogramme integrieren zu können. Diesen bemerkenswerten Schritt sind die Filmförderer der Drei-Länder-Institution MDM gegangen (siehe anschließendes Interview mit Herrn Mario Fischer vom MDM).

Auch unterstützen die Bundesländer mitunter die Entwicklung von Computerspielen aus dem Gesichtspunkt der technischen Innovation. Im Kern handelt es sich hier um Investitionsförderung. Das Land Berlin zum Beispiel subventioniert hochwertige, multimediale Produkte und Dienstleistungen, wenn die Aussicht besteht, dass durch technische Innovationen neue Arbeitsplätze in Zukunftsfeldern der Medienbranche entstehen. Dabei wird nur der Anteil technologischer Entwicklung unterstützt. Berliner Spieleproduzenten können sich z.B. die Entwicklung einer Engine fördern lassen.

Bedeutsamer ist jedoch der Beitrag, der durch medienspezifische Fördereinrichtungen vergeben wird. Die Vorteile sind zunächst struktureller Natur. Hier wird projektorientiert gearbeitet und damit werden Arbeitsplätze gefördert. Damit sind diese Maßnahmen komplementär, zu klassischen Ansiedlungsförderungen. Z.B. hat die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg bereits im Rahmen des Digital Content Fundings Computerspiele gefördert (Pirates of Voodoo Islands). Auch in Schleswig-Holstein gibt es ein Multimedia Förderungsprogramm.

Fördersysteme, die sich im Bereich der Filmförderung bewährt haben, werden so auch auf Computerspiele angewendet. Am konsequentesten verfolgt die MDM als Filmförderungsinstitution dreier neuer Bundesländer diese Politik. Soweit Spiele storybasiert sind und besonders dann, wenn sie sich für medienübergreifende Strategien eignen, können sie gefördert werden. Entscheidend ist bei diesen bedingt rückzahlbaren Darlehen der Regionaleffekt. Die MDM erweitert den Kulturbegriff und stellt Computerspiele auch förderungsrechtlich dem Film gleich. In anderen Ländern, z.B. in Frankreich, ist dies schon längst üblich. Auch im deutschen Urheberrecht ist diese Parallele längst gezogen worden.

Im folgenden Gespräch wird der MDM als die Förderinstitution der Bundesländer, die sich bisher am stärksten gezielt auf die Gamesindustrie eingelassen hat, Gelegenheit gegeben Ihr Förderprogramm selbst darzustellen.

Kommentar:

Computerspiele sind audiovisuelle Projekte. Die Interessenlage ist hier sehr ähnlich wie in der Film- und Fernsehindustrie. Entwickler gehen hohe Risiken ein. Wie im historischen Rückblick auch bei anderen Medien tut sich jedoch die breite Öffentlichkeit noch schwer, im Computerspiel den kulturellen Wert zu erkennen. Das hängt auch damit zusammen, wie Computerspiele heute produziert und wie ihre Produktionen finanziert werden. Wer heute in Deutschland Computerspiele macht, hat nur die Chance sich über die Ladentheke zu recoupen. In einem europäischen Land mittlerer Marktgröße können keine besonderen Risiken eingegangen werden. Nur wenige wagen es, Content einzubinden, der kulturelle Bezüge zu Deutschland aufweist.

Wer gewaltfreiere Spiele will, darf nicht nur zahnlose Verbote aufstellen, sondern muss in einer freien Marktwirtschaft die einheimische Spieleindustrie aktiv unterstützen. Anstatt die Computerspielentwickler als Kulturproduzenten anzusehen, ist es heute modern, sie zu stigmatisieren und zu kriminalisieren. Dabei kann nur zusammen mit den einheimischen Entwicklern der Entwicklerstandort Deutschland gestärkt werden.

Konkret bedeutet dies: Nicht nur auf der Ebene der Bundesländer, sondern auch auf nationaler Ebene, sollte die Filmförderung für Computerspiele geöffnet werden. Der Ansatz, den die MDM verfolgt, muss Eingang in die gerade anstehende Novellierung des Filmförderungsgesetzes finden. Nach französischem Vorbild sollte sich die Zuständigkeit der Filmförderungsanstalt auf den Bereich Multimedia und Computerspiele erweitern. Zur Beschaffung von Mitteln sollte in Anlehnung an Modelle aus der Kino- und Videowirtschaft eine Computerspielabgabe auf jedes an Endverbraucher verkaufte Computerspiel erhoben werden. Denkbar wäre ein Betrag zwischen 2 und 4 EURO. Die so generierten Mittel, die ohne Rückgriff auf den Staatshaushalt quasi branchenintern aber von allen und damit auch den importierten Computerspielen generiert werden, entstehen, sollten zunächst nur als Projektmittel an deutsche Computerspielentwickler vergeben werden. Die Vergabe kann aber an inhaltliche Bedingungen geknüpft werden.

Es könnte so eine Situation entstehen, in der Deutschland in der Gamesindustrie nicht nur als Markt, sondern auch als Entwicklerstandort ernst genommen wird. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen müsste eine solche Bundesförderung für Computerspiele jedoch vor allem Wirtschaftsförderung sein, da die Kulturhoheit bei den Ländern liegt. Daher müssten die Vergabebedingungen auch Kriterien enthalten, welche die ökonomische Perspektive der zu fördernden Projekte ernst nehmen. Aber auch dass kann nur hilfreich sein, denn auch der Bund kann kein Interesse an Firmen, haben die reine Subventionsbetriebe sind. Es geht also darum Firmen zu unterstützen, die in einer jungen Kulturszene rentabel wären, wenn sie nicht nur den nach Weltmaßstäben kleinen deutschen Markt hätten. Auf der Bundesebene kann so ein Förderungssystem etabliert werden, dass ausreichende Breitenwirkung entfalten kann.

Die Forderung nach einer Computerspielabgabe zur Stärkung der deutschen Entwickler kann also vor allem kulturell und ökonomisch begründet werden. Durch sie wird fast kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehen. Aber der Effekt wäre sehr groß. Dies gilt nicht nur in bezug auf Arbeitsplätze in einer schnell wachsenden Branche und einem hochwertig innovativen Technologiebereich. Es gilt auch für den Content. Gerade Pauschalkritikern von Computerspielen könnte in Zukunft entgegengehalten werden, dass in einer offenen Gesellschaft allein konstruktive Impulse wirken. Die Computerspielabgabe würde hier eine bedeutende Katalysatorfunktion zukommen.

Game Face 2003

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Was ist los in NRW ?

Mit der erneuten Insolvenz von Ascaron wurde es wieder deutlich, die deutsche Spieleindustrie ist verwundbarer als viele denken. Noch vor kurzem galt Ascaron nicht nur als der größte deutsche Entwickler, sondern auch als Pionier im Bereich des Selfpublishing. Ascaron, der Musterknabe, kommt aus NRW. In NRW sind in den letzten 10 bis 15 Jahren einige Computerspielstudios zusammengebrochen. Das Bundesland NRW, das z.B. jährlich über 30 Millionen EURO an Steuergeldern in die Filmproduktion investiert, hat sich dafür leider nie interessiert. Junge Unternehmen wie Xybris Entertainment verlassen das Bundesland in Richtung Berlin. Erfahrene Spielemacher wie Teut Weidemann verlegen Ihre Aktivität von Nordrhein Westfalen nach Berlin und Hamburg.

Was ist los mit Nordrhein Westfalen? Noch vor 10 Jahren war dieses Bundesland unbestritten das Zentrum der deutschsprachigen Spieleentwicklung. Das ist lange her und manchmal hat es den Anschein, als ob das damals seitens des Landes niemand gemerkt hat. Insgesamt ist NRW als das größte und bevölkerungsreichte Bundesland nicht nur der größte Teilmarkt Deutschlands, sondern auch federführend für alle Bundesländer für den Jugendschutz im Computerspielbereich. Mit der GamesCom wird NRW weiterhin in Zukunft voraussichtlich die größte Computerspiel-Messe Europas beherbergen. Wie kommt es also, dass gerade NRW für Spieleentwickler, also für Unternehmer die konkret Arbeitsplätze der Zukunft schaffen offenbar wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung schenkt?

Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig und haben natürlich zunächst mit dem Markt selbst und individuellen unternehmerischen Entscheidungen zu tun. Aber es kann auch sein, dass ein Zusammenhang besteht mit der intransparenten und letztlich wenig entwicklungsfördernden Politik des Landes. Zwar hat Nordrhein Westfalen mit der NRW-Bank und dem Wettbewerb Medien@NRW erste Anstrengungen unternommen um auch Spieleentwicklung zu fördern. Aber eine gamesspezifische Förderung wie Sie andernorts mittlerweile angeboten wird, so in Hamburg, Berlin und im Nordmedia/MDM Raum (vom Ausland ganz zu schweigen),  aber nun auch in Bayern, gibt es in Nordrhein Westfalen nicht. Möglicherweise schreckt die Landesregierung vor pragmatischen Lösungen zurück. Denkbar sind ideologische Gründe einerseits im Bereich des Jugendschutzes, andererseits im Bereich des grundsätzlichen Zurückhaltens bei industrie-politischen Maßnahmen.  Denkbar ist auch, dass in diesem Bundesland Unternehmen erst ab einer Größe des Opel-Werkes in Bochum von der Landesregierung überhaupt wahrgenommen werden. Dass es im digitalen Zeitalter nicht nur auch umfangreiche industrielle Fertigung ankommt, ist vielleicht dort noch nicht so bekannt. Denkbar ist auch, dass sich einige Entscheidungsträger in einer elitären Attitüde den tatsächlich stattfindenden Veränderungen des kulturellen Umfeldes verweigern. Diese Förderpolitik bzw. diese Abwesenheit von Förderpolitik schlägt sich eben leider auch ganz konkret in Unternehmen nieder.

Die kleinteilige Contentetwicklung gerade auch im Bereich Computerspielen ist sehr risikoreich. Es kann jederzeit passieren, dass ein Spieleentwickler Insolvenz anmeldet. Das kann auch auf eigenen unternehmerischen Fehlentscheidungen beruhen. Aber häufig ist dies nicht einmal der Fall. Im Contentbereich ist der Markt sehr volatil und die Cashflow- und Produktionsbeziehungen sehr verletzlich. Aber wie in allen Contentindustrien gilt auch in der Spieleentwicklung: The Winner takes it all. Deswegen ist gerade im Bereich Prototypen, also am Anfang des Entwicklungsprozesses, das Risiko besonders groß, sehr viel höher als etwa in der Film- oder Musikindustrie.

Mit reinem Clustermanagement kann man diesen Herausforderungen nicht begegnen. Netzwerkveranstaltungen sind hilfreich, ein sinnvoller Baustein, der einem Standort auch Prestige bringen kann.   Aber zu einer intelligenten Förderpolitik, die Unternehmen in den riskanten Phasen der Produktion konkret hilft gibt es keine Alternative. Dies gilt umso mehr für einen Bereich wie die Gamesindustrie, die in zahlreichen anderen Ländern massiv gefördert wird, denn mit den Produkten konkurrieren die Unternehmen aus NRW jeden Tag beim Endkonsumenten. Die EU Kommission lässt neuerdings kultur-wirtschaftliche Förderungen in den Mitgliedstaaten in erheblichem Umfang zu. 

Es bleibt zu hoffen, dass das Land Nordrhein Westfalen die Gelegenheit nutz und zur GamesCom ein glaubwürdiges und transparentes Förderungsprogram für Computerspielentwicklung in Nordrhein Westfalen vorlegt auf dem nicht nur „Computerspielentwicklung“ drauf steht sondern bei dem auch „Computerspielentwicklung“ drin ist. Die Messe allein wird es nicht richten; auch in Leipzig ist keine große Spieleentwicklerszene entstanden. Erste vorsichtige Hoffnungszeichen gibt es aus dem Ruhrgebiet. Ob die dortigen Initiativen aber weit über die Vermittlung einer Immobile hinausgehen werden, wird sich noch weisen müssen. Denn noch wäre der Niedergang der  einst großen Spieleentwicklerszene in NRW möglicherweise aufzuhalten, was aber weg ist, bleibt erstmal weg. Möglicherweise für immer. 

Erschienen 2009 in GAMESMARKT